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Grammatik: Regeln für den Umgang mit dem Superlativ

Text/Fotos: Sprache-Kompakt Redaktion  

Der Superlativ ist das Lieblingskind der Werbung. Er markiert die äußerste Grenze des Wissbaren oder Machbaren und da offensichtlich jeder der Meinung ist, im Besitz des absoluten Wissens zu sein, greift der Superlativ wie ein Geschwür um sich. Er drängt sich längst nicht mehr nur in Werbebotschaften auf, sondern überschwemmt geradezu die alltägliche Kommunikation und selbst Nachrichtensendungen bedienen sich seiner zuweilen, um ihre Informationen an den Mann zu bringen.

Bildung des Superlativs

Der Superlativ ist nach dem Positiv (der Grundform) und dem Komparativ die höchste Steigerungsform des Adjektivs. Während der Komparativ zwei Dinge miteinander vergleicht, beschreibt der Superlativ die höchste Stufe oder Ausprägung einer Sache, einer Person oder eines Sachverhalts. Der Superlativ wird durch "am" oder dem bestimmten Artikel vor dem Adjektiv angekündigt, an das dann das Suffix "sten" (bei "am") oder "ste" beim bestimmten Artikel angehängt wird.

Beispiele für den Superlativ

  • Eva ist das schönste Mädchen in ihrer Klasse.
  • In ihrer Klasse ist Eva am schönsten.
  • Der Superlativ ist die höchste Steigerungsform des Adjektivs.

Ausnahmen bei der Bildung des Superlativs

Endet ein Adjektiv auf die Buchstaben d, t, s, ß, x oder z wird zwischen der Grundform und dem Suffix "sten" häufig noch ein "e" eingefügt, um die Aussprache zu erleichtern.

blöd - der blödeste/am blödesten
weit - der weiteste/am weitesten
süß - der süßeste/am süßesten
fix - der fixeste/am fixesten
stolz - der stolzeste/am stolzesten

Manche Adjektive bilden ihre Steigerungsformen, indem ein Vokal im Wortstamm zu einem Umlaut verändert wird. So wird aus:

scharf - der schärfste/am schärfsten
groß - der größte/am größten
kalt - der kälteste/am kältesten
klug - der klügste/am klügsten

Unregelmäßige Adjektive

Neben den Ausnahmen bei der Bildung des Superlativs gibt es selbstverständlich noch unregelmäßige Adjektive, für deren Steigerung es, der Name sagt es schon, keine Regel gibt. Sie müssen schlicht und einfach gelernt werden. Beispiele dafür sind:

viel - sehr - am meisten
gut - besser - am besten/die beste
hoch - höher - am höchsten/die höchste
nah - näher - am nächsten/die nächste
gern - lieber - am liebsten/die liebste

Übertreibung in der Werbung

In der bunt schillernden Werbewelt muss man mehr auffallen als die Konkurrenz, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Da kann man ansatzweise die Texter verstehen, die aus Mangel an Kreativität die beworbenen Produkte mit Hilfe des Superlativs wie Marktschreier anpreisen und dabei wahrhaft tollkühne Sprachgebilde produzieren. Es gibt kein "weißestes Weiß" - es sei denn, der dumme Waschmittelkonsument hat sich zuvor grau für weiß vormachen lassen. Und wenn künftig wie beim "teuersten Film aller Zeiten" die Produktionskosten als Qualitätsmerkmal für einen guten Kinofilm herhalten, dann hätte, bei entsprechendem finanziellen Engagement, selbst Chuck Norris eine echte Chance auf einen Oscar gehabt.

Die Wichtigkeit des Unwichtigen

Erwartet man in der Werbung noch schamlose Übertreibungen, so ist es doch sehr bedenklich, wenn auch immer mehr Reportagen und sogar Nachrichtensendungen ihre Inhalte mit Hilfe des Superlativs wie saures Bier anpreisen. Ein Entwicklungsland, über das berichtet wird, gehört in der Regel zu den "ärmsten Ländern der Erde", ein Krankheitserreger zu "den gefährlichsten" und, je nach Niveau der Sendung, ist er auch schon mal einer der "tödlichsten", wobei zu fragen wäre, was in aller Welt "tödlicher" sein kann als der Tod.

Die "Zeit" vom 18.12.13 beschreibt gar den Kakapo, einen neuseeländischen Papagei, als den "flugunfähigsten Papagei" der Welt, was natürlich weitaus dramatischer klingt als der langweilige "Wikipedia"-Eintrag, in dem vom einzigen bekannten flugunfähigen Papagei die Rede ist.

Wer die deutschen Autofahrer als "die rücksichtslosesten Europas" bezeichnet, erkennt in der Nachbarin vielleicht auch "die schwangerste Frau", die er je gesehen hat. "Rücksichtslos" bezeichnet die vollkommene, totale, absolute Abwesenheit von Rücksicht - das lässt sich auch mit noch so viel gutem Willen nicht mehr steigern. "Namenlos" würde schließlich auch niemand steigern wollen.

Was ist vollständiger als vollständig?

Nicht nur die absolute Abwesenheit von irgendetwas ist vor dem Superlativ sicher, sondern auch die absolute Anwesenheit. So berichtet der Spiegel Online am 7.12.17 in einem Wissenschaftsartikel von einem nahezu vollständigen Skelett, das aber das "vollständigste" Skelett eines Frühmenschen sei, das je gefunden wurde. Dieses werde in Südafrika ausgestellt. Dass ein nicht nicht einmal vollständiges Skelett gleichzeitig das "vollständigste" sein kann, ist sicher auf den Enthusiasmus des Redakteurs oder der Redakteurin beim Verfassen des Artikels zurückzuführen und beim Schlusslektorat übersehen worden. Es offenbart aber wohl die Sehnsucht vieler, ein Teil von etwas ganz Großartigem sein zu wollen, weswegen Sachlichkeit nicht selten als ein Mangel an Begeisterungsfähigkeit unverbesserlicher Spielverderber aufgefasst wird.

Stilmittel der Hilflosen

Der inflationäre Gebrauch des Superlativs deutet darauf hin, dass mit ihm weniger die Grenzen des tatsächlichen Wissens aufgezeigt werden, als vielmehr der beschränkte Erfahrungshorizont dessen, der ihn benutzt. Gerade weil der Superlativ die Grenzen der eigenen Erfahrung markiert, sollte er wohlüberlegt gewählt werden. Für einen kleinen Jungen ist der eigene Papa so lange der tollste Papa der Welt, bis er ihm zum ersten Mal das Taschengeld gestrichen hat und der Bub daraufhin seinen Kosmos zu hinterfragen beginnt. Uninformierte mögen sich vom Superlativ beeindrucken lassen, doch derjenige, der es besser weiß, gewinnt einen Einblick in das begrenzte Wissensspektrum des Sprechers und zieht daraus Schlüsse, wie der Aussageinhalt künftiger Kommentare zu bewerten ist.

Der Superlativ ist das Stilmittel der Hilflosen, die sich, meist aus Mangel an rhetorischer Schulung oder semantischer Alternativen, an ihn klammern wie an einen Strohhalm, um einer dürftigen argumentativen Kompetenz mehr Aufmerksamkeit zu verleihen als ihr eigentlich zusteht.

So lehnen wir uns denn in vollkommener Harmonie mit dem modernen Sprachgebrauch in unseren Sesseln zurück und fragen uns mit der Pressestelle der Stadt Hannover, "ob die Posaune das vollkommenste aller Blechblasinstrumente ist" (7.4.2016). Und wir harren einer neuen Steigerungsform, die wohl unumgänglich sein wird, wenn künftig alle Adjektive nur noch im Superlativ gebraucht werden.

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